In unserem Alltag nehmen wir unzählige Menschen wahr. Dazu gehören Partner, Eltern, Kinder, Freunde, aber auch Personen, die wir noch gar nicht oder kaum kennen. Wie zum Beispiel neue Arbeitskolleg:innen, die Bedienung in unserem Lieblingscafé oder dieser Typ, der gerade zufälligerweise an uns vorbeiläuft. Manche dieser Menschen finden wir spontan sympathisch und andere zum Weglaufen. Und falls wir ein WG-Casting veranstalten oder einen neuen Mitarbeiter suchen, dann fragen wir uns, wem wir vertrauen können und mit wem die Zusammenarbeit und das Zusammenleben am meisten Spaß bringen wird.
Natürlich werden wir auch selbst von anderen wahrgenommen. Und deshalb machen wir uns Gedanken darüber, wie andere uns wohl einschätzen - was wiederum unsere Selbstwahrnehmung beeinflusst: Finden die mich vielleicht lustig oder intelligent? Bin ich das denn? Mag sie mich? Bin ich attraktiv?
In meiner Forschung analysiere ich, was diese sozialen Wahrnehmungen mit Persönlichkeit zu tun haben - der Persönlichkeit der Menschen, die wir wahrnehmen, aber auch mit unserer eigenen Persönlichkeit. Drei Fragen interessieren mich dabei besonders: Wie entsteht spontane Sympathie? Wie zuverlässig sind unsere ersten Eindrücke anderer Menschen? Und bringt es Vorteile, sich selbst genau zu kennen? Zu diesen Fragen haben mein Team und ich zahlreiche Studien durchgeführt und Ergebnisse veröffentlicht.
Hier findet ihr eine kleine Auswahl unserer Studien zu Persönlichkeit und Wahrnehmung:
Studierende sollten sich am ersten Tag ihres Studiums in einem Hörsaal vor allen ihren Kommiliton:innen 10 Sekunden lang vorstellen. Sie haben sich gegenseitig hinsichtlich Sympathie beurteilt und wurden per Video aufgenommen.
Extravertierte Studierende waren beliebter, weil sie moderner gekleidet waren, sich energischer bewegten, mehr lächelten und witziger waren. Aus dem gleichen Grund wurden auch egoistische Menschen besser beurteilt - obwohl sie selbst die anderen negativer beurteilten! Studierende mit hohem Selbstwert und emotionaler Stabilität erwarteten, mehr gemocht zu werden. Und wenn zwei Studierende einen ähnlichen Musikgeschmack und eine ähnliche Freizeitgestaltung hatten, dann beurteilten sie sich gegenseitig als sympathischer - irgendwie haben sie das tatsächlich schon an der Kleidung erkannt.
Sowohl die ersten Eindrücke, die wir von anderen haben, als auch der Eindruck, den wir selbst bei anderen hinterlassen, werden durch unsere Persönlichkeit beeinflusst - und zwar weil wir uns unterschiedlich verhalten und weil wir unterschiedliche Erwartungen und Präferenzen haben.
Von deutschen und US-amerikanischen jungen Erwachsenen haben wir Social Media-Profilseiten gespeichert und deren tatsächliche Persönlichkeit (wie sie sind) sowie ihre Ideal-Persönlichkeit (wie sie gerne wären) erhoben. Beurteiler haben nur die Profilseiten bekommen und sollten die Persönlichkeit der Profilinhaber einschätzen.
Die Persönlichkeitsurteile waren erstaunlich genau und sie waren kaum durch Selbstidealisierung der Profilinhaber verzerrt. Besonders die Offenheit für neue Erfahrungen und die Extraversion konnte gut eingeschätzt werden. Keine Ahnung hatten die Beurteiler darüber, ob die Profilinhaber eher ängstlich und stressanfällig oder eher entspannt und robust waren.
Social Media-Profile erlauben häufig eine erstaunlich genaue Beurteilung unserer Persönlichkeit und haben entgegen der landläufigen Meinung weniger mit Selbstidealisierung zu tun.
Wir haben 5 Studien mit über 2.800 Personen zusammengefasst, in denen Intelligenz-Messungen und Intelligenz-Selbsteinschätzungen vorlagen und dann getestet, was das Wohlbefinden und soziale Beziehungen am ehesten stärkt oder schwächt: die eigene Intelligenz genau einzuschätzen, sich als sehr intelligent anzusehen oder sich zu überschätzen.
Personen, die ihre Intelligenz genauer einschätzen konnten als andere, waren weder glücklicher noch hatten sie positivere soziale Beziehungen. Selbstüberschätzung hatte mal positive und mal negative Effekte. Am wichtigsten war aber, wie intelligent sich Personen gesehen haben: Je intelligenter sie sich einschätzten, desto höher war häufig auch ihre Zufriedenheit und ihr sozialer Status. Dabei war es dann egal, ob sie sich überschätzten, unterschätzten oder genau richtig lagen: Hauptsache sie schätzten ihre eigene Intelligenz als hoch ein.
Auch wenn die alten Griechen sagten “Kenne Dich selbst” - ist das nicht immer entscheidend. Manchmal geht es einfach darum, sich selbst gut zu finden - zumindest wenn man zufrieden sein und vorankommen will.